Am 24. Juni 2023 findet der zweite antikapitalistische CSD in Zürich statt.
Der antikapitalistische CSD (Christopher Street Day) ist ein Kollektiv queerer Aktivist*innen, die sich zusammengeschlossen haben, um eine Alternative zur Zurich Pride zu bieten. Wir haben uns für den Namen CSD entschieden, da wir uns thematisch grob an der ersten Pride orientieren wollen. Der Christopher Street Day (28.06) ist der Tag, an dem sich queere Menschen an die erste Pride, die am 28.06.1969 an der Christopher Street in New York stattfand, zurückerinnern. Wir wollen daran erinnern, dass diese erste Pride ein politischer Aufstand gegen das System war. Deshalb wollen wir mit unserer bewilligten Demonstration eine radikale und antikapitalistische queere Politik im Sinne der ersten Pride verfolgen.
Im Gegensatz zu der bürgerlichen Assimilationspolitik der Zurich Pride, setzen wir uns für eine komplette Emanzipation aller queeren Menschen ein. Queere Menschen sollen sich nicht einer bürgerlichen Normalität angleichen müssen, sondern sollen so leben können, wie sie wollen. Dies bedeutet, dass wir alle systemischen Diskriminierungsformen intersektional bekämpfen müssen, damit alle queeren Menschen frei von Unterdrückung leben können.
Deshalb demonstrieren wir am 24.06.2023 gegen das queerfeindliche neoliberale System und für eine echte Queer Liberation.
Demo offen für alle Queers und Allies (TERFs not welcome).
Demo-Route: Landesmuseum (Platzpromenade)- Bahnhofquai-Unterführung - Uraniastrasse – Sihlporte – Sihlstrasse – Sihlbrücke – Badenerstrasse (durch die Tramhaltestelle) – Stauffacherstrasse – Ni Una Menos Platz(Helvetiaplatz)
Die Besammlung für die Demo ist um 17:00 beim Landesmuseum.
17:00 | Besammlung beim Landesmuseum | |
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Rede Kollektiv CSD Zureich | ||
Rede vom Kollektiv Kritische Lehrpersonen (KriLP) | ||
17:30 | Start des Demonstrationszuges | |
ca. 19:00 | Ankunft auf dem Ni-Una-Menos Platz | |
Rede von Jessica Sigerist | ||
Rede von Laura Rivas Kaufmann/Linke PoC | ||
DRAG | Effi Mer Delamaskis | |
Rede von Nina und Suna/Netzwerk Avanti | ||
Rede von Anna Rosenwasser | ||
22:00 | Party in der Roten Fabrik | |
ab 16 Jahre | ||
Eintritt Richtpreis 10 Fr., Solipreis 15Fr. | ||
Falls du dir den Eintritt nicht leisten kannst melde dich bei csd-zurich@protonmail.com | ||
22:00-23:30 | DJ ZPC | |
23:30-00:00 | DRAG | |
LILA CREATIVISTA AND TALLBOY | ||
EDIN THE GUARD | ||
TATJIANNA BIG TATTAS | ||
00:00-01:30 | DJ STÜRZINA | |
01:30-02:00 | SPECIAL | |
02:00-03:30 | APINTI | |
03:30-05:00 | DJ DASHA |
Rede vom CSD Kollektiv
Rede vom Kollektiv kritische Lehrpersonen
Wir queeren Menschen sind überall und in allen Arbeitsfeldern anuzutreffen. Wir arbeiten in der Gastronomie, auf der Baustelle und in Schulen, um nur einige Arbeitsfelder zu nennen. Einige von uns können nicht arbeiten und andere sind noch zu jung, um zu arbeiten. Wir, die heute diese Rede halten, sind vom Kollektiv kritische Lehrpersonen und wir sprechen heute darüber, in welchem Klima queere Kinder aufwachsen und zur Schule gehen.
Immer öfter stehen Lehrpersonen, die das Thema Gender und Queerness im Unterricht behandeln unter Beschuss von rechter Hetze. Anfang Mai musste ein Gendertag augfrund von Drohungen abgesagt werden. Ein Tag , der seit 10 Jahren an einer Sekundar-Schule in Stäfa jedes Jahr durchgeführt wurde - bis auf 2023. Aber wisst iht was? Wir Lehrpersonen bleiben mutig und lassen uns nicht unterkriegen! Wir werden Gender, Sexualität, Sexismus und Queerfeindlichkeit weiter in unserem Unterricht zum Thema machen! Wir werden nicht nur einen Tag im Jahr einen Gendertag machen, sondern Geschlecht und Sexualität jeden Tag auf progressive Art thematisieren.
Es ist leider nicht das erste Mal, das reaktionäre Hetzer*innen Angriffe auf Veranstaltungen planen. Angriffe auf Veranstaltungen, die sich auf progressive Art mit dem Thema Gender auseinandersetzten. Bereits letzten Oktober wurde eine Lesung im Tanzhaus zum Thema Geschlechtsidentitäten von Neonazis gestört.
Diesen Mai gab es erneut eine Drag Story Time, diesmal in einer Bibliothek in Oerlikon. Auch dieses Mal gab es im Vorfeld Androhungen von rechter Seite und es wurde zu Störaktionen aufgerufen. Die Veranstalter*innen blieben aber mutig und zogen den Event durch. Es wurde ein voller Erfolg: 300 Menschen zeigten sich solidarisch und versammelten sich. Der Andrang von Familien und Kinder, die an die Lesung kommen wollten, war riesig. Solche Beispiele zeigen: Es lohnt sich zu kämpfen und mutig zu bleiben!
Wir Lehrpersonen, aber auch Betreungspersonal und Eltern, werden die Kinder weiter dazu ermutigen sich kritisch mit dem Thema Geschlecht auseinanderzusetzten und die eigene Queerness zu erforschen.
Gerade von den jüngsten Kindern können wir nämlich viel über einen spielerischen Umgang mit Geschlechtsausdruck lernen. Für junge Kinder ist es nämlich völlig selbstverständlich, sich immer wieder unterschiedlich anzuziehen - heute ein Glitzerkleid, morgen das Sportoutfit und übermorgen die Tigerleggins. Für sie haben Kleider noch kein Gender und sie ziehen sich genau so an, wie sie sich in diesem Moment wohl fühlen.
Wäre doch mal was, wenn die Gesellschaft von ihren Jüngsten lernen würde, anstatt sie zu bevormunden und über sie zu entscheiden.
Eure Kinder, die betreuen wir, eure Kinder, sind schon lange queer!
Rede von Jessica Sigerist
Dieser Text wurde zuerst beim Stadtmagazin tsüri.ch veröffentlicht.
Hallo, ich bin’s, eine dieser Genderaktivist:innen aus dem Internet. Eine, die queere Propaganda verbreitet und Gender immer und überall zum Thema machen muss. Ich bin’s, die Verkörperung von dem, was ihr Genderideologie nennt.
Eigentlich habe ich es satt. Eigentlich will ich gar nicht über Gender schreiben. Ehrlich gesagt ist mir Gender in mega vielen Lebenssituationen mega egal. Aber kaum versuche ich in Ruhe meine Einkaufsliste zu schreiben, kommt die nächste alte weisse Zeitung um die Ecke und droppt einen genderkritischen Artikel. Ihr schreibt über queere Propaganda, Genderideologie und weltanschauliche Indoktrinierung. Ihr schreibt über mich und ich habe keine Wahl – ich schreibe zurück.
Ihr schreibt von unserer Genderideologie und ich wüsste wirklich gerne, was ihr damit meint. Meint ihr den Teil, als wir die heterosexuelle Ehe verbieten wollten oder erinnert ihr euch an damals, als wir gesagt haben, cis Menschen sollten nicht Bundersrät:in werden und laut gelacht haben? Oder war’s doch der Mann mit Nagellack, den ihr heute morgen beim Einkaufen gesehen habt, der euch maximal getriggert hat? Apropos Nagellack, jetzt mal im Ernst: Ich bin noch nie einem queeren Elternteil begegnet, der sein Kind dazu zwingt, Nagellack zu tragen. Weder stecken wir unsere Söhne gegen ihren Willen in Kleider, noch zwingen wir unsere Töchter dazu, Bagger zu fahren. Wir verbieten Jungs weder Fussball zu spielen, noch dürfen Mädchen bei uns kein Pink tragen. Alles, was wir tun, ist, dass wir unseren Kindern verschiedene Möglichkeiten aufzeigen und ihnen die Wahl lassen.
Unterdessen streicht ihr nicht nur eure Kinderzimmer hellblau und rosa, sondern eure ganze Welt. Regenjacken, Überraschungseier und Berufschancen, alles gibt es in zwei Varianten, eine für Mädchen und eine für Jungen. Schon vor der Geburt feiert ihr das vermeintliche Geschlecht eurer ungeborenen Kinder. Und ihr werft uns vor, eine Ideologie zu verfolgen? Ihr sagt uns, dass wir «Besessen von Gender» sind? Sagt mal, merkt ihr nichts?
Ihr schreibt von einer queeren Agenda und wie wir Kinder beeinflussen. Ich habe noch nie einen queeren Elternteil sagen gehört: «Ich will, dass mein Kind queer wird.» Das wäre ja auch ganz schön absurd, dem eigenen Kind eine bestimmte sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität aufdrängen zu wollen, oder etwa nicht? Ich frage mich, wie ihr auf die Idee kommt, dass das irgendjemand tun könnte. Bis mir in den Sinn kommt, mit wem ihr sonst so abhängt. Und wie oft ich schon von Jugendlichen, die bei mir Rat suchten, gehört habe: «Wenn ich mich outen würde, würden meine Eltern nicht mehr mit mir sprechen», «Wenn ich mich outen würde, würden meine Eltern mich zuhause rausschmeissen», «Wenn ich mich outen würde, würden meine Eltern mich umbringen.» Umbringen.
Es gibt Menschen, die ihr eigenes Kind umbringen würden, wenn es nicht cis-heterosexuell ist. Und ihr schreibt, was wir tun sei «weltanschauliche Indoktrinierung». Wir wollen keine Kinder queer machen, wir wollen nur, dass alle Kinder glücklich und sicher aufwachsen. Was ich queere Elternteile sagen höre ist: «Ich will, dass mein Kind so sein kann wie es ist. Ich will, dass mein Kind weiss, dass es gut und richtig ist, so wie es ist. Ich will, dass mein Kind nicht diskriminiert wird.» Ganz schön krasse Weltanschauung, was.
Ihr schreibt und ihr inszeniert uns als Feindbild. Ihr schreibt und ihr bringt uns in Gefahr. Eure Artikel mögen vergleichsweise harmlos erscheinen. Doch unter den Beiträgen sind die Kommentarspalten. Darin werden wir als verirrt, krank, abartig und pädophil bezeichnet. Da ist das N-Wort zu finden, da wird Putin verherrlicht und bekannte Verschwörungstheorien werden zitiert. Sowas schreiben die Menschen, die euch lesen. Die Menschen, für die ihr schreibt. Und irgendwann steht ein Teil dieser Menschen mit Fackeln und Parolen vor einer Vorlesestunde für Kinder.
Wisst ihr, warum sie das tun können, warum sie mit ihren Gesichtern und ihren Namen zu dieser Aktion stehen können? Weil sie Rückhalt haben. Weil es Menschen gibt in diesem Land, die Dragqueens bedrohlicher finden als Nazis. Weil es Medien gibt, die dieses Narrativ stützen und ihm immer und immer wieder Platz einräumen. Die Gewalt gegen uns beginnt nicht erst dann, wenn sie effektiv zu physischer Gewalt wird. Sie beginnt mit jeder unmoderierten Kommentarspalte. Sie beginnt mit jedem «genderkritischen» Artikel.
Herzlich willkommen in meiner queeren Agenda. Es ist ein kleines lila Buch mit Regenbogen- und Antifa-Stickers. Darin steht meine Einkaufsliste, ich brauche noch Nagellack und eine neue Regenjacke für ein Kind. Eine Genderideologie steht da nicht. Weil es keine gibt. Aber so lange ihr weiter darüber schreibt, so lange ihr nicht aufhört und zuhört und was lernt, so lange schreibe ich gegen euch an.
Liebe Grüsse, eure Genderaktivist:in aus dem Internet.
Rede von Laura Rivas Kaufmann/ Linke PoC
«Ich bewundere deinen Aktivismus, wie du dich einsetzt und deinen eigenen Weg gehst.»
«Danke, mega lieb, aber ich weiss nicht, ob ich wirklich ein Vorbild bin, ich bin nicht mal geoutet bei meinen Eltern.»
«Ich auch nicht, aber das tut doch nichts zur Sache.»
Du schaust mit den liebsten, highsten Augen zu mir hoch von zwei Stufen weiter unten. Ich kann dir die Hand nicht geben. Ich kenne dich doch kaum. Ich habe noch nie die Hand einer Schwarzen, queeren Person gehalten. Diese Hand, die sonst die Person hält, mit der du zusammen bist. Mit der du so viel Glück ausstrahlst. Mit der du so wundervoll tanzt. Ich kann deine Hand nicht halten. Ich habe Angst, dass es sich schön anfühlt. Ich habe Angst, dass es zu fest schmerzt, dass ich vielleicht niemals erleben darf, was ihr zusammen habt. Ich habe Angst, dass ich deine Hand nie mehr loslassen möchte. Dass ich mir wünsche, dass du sie nie wieder loslässt und mir sagst, dass ich gut bin, so wie ich bin.
Du sitzt da, mit überkreuzten Beinen und einem verschmitzten Lächeln auf dem Gesicht. Schnippst mit den Fingern und nennst dich «Girl», nur um dich wenige Sekunden später mit he/him vorzustellen.
«In der queeren Community habe ich schon super Anschluss gefunden, aber in der Schwarzen Community noch nicht so wirklich.»
Wir sitzen in einem Berliner Straßenkaffee und du heulst.
«Du solltest deinen Eltern wenigstens die Chance geben, dich zu verstehen. Ich glaube, du traust ihnen zu wenig zu. Natürlich kannst du einfach wegrennen. Aber ich würde dir empfehlen, es wenigstens zu probieren. Danach kannst du immer noch wegrennen, wenn sie es tatsächlich schlecht aufnehmen sollten.»
«Deine Eltern sind auf alle Fälle entspannter als meine.»
«Woher weisst du das? Du kennst meine Eltern doch gar nicht.»
«Nein, aber du bist geoutet.»
Ich bin nicht stolz auf mein Outing. Es war eine wütende WhatsApp Nachricht an meine Mutter, nachdem wir zum wiederholten Mal eine Auseinandersetzung zum Thema Transidentitäten hatten. Ich sass auf dem Klo, mit meinem Handy in der Hand und schrieb dir eine Nachricht auf Telegram.
«I did it!»
«Wie fühlt es sich an?»
«Ich weiss nicht. Ich bin einfach froh, dass es vorbei ist.»
«Ich darf meine Nichte nur noch sehen, wenn ich damit einverstanden bin, dass ich misgegendert werde. Und das möchte ich nicht. Doch es macht mich sehr traurig. Ich mag meine Familie eigentlich.»
«Ich verstehe manche Menschen einfach nicht. Kinder sind so offen. Als ich etwa fünf war, waren wir mal mit Freund*innen meiner Mutter unterwegs. Und dann habe ich aus dem Nichts gesagt, oder Mama, Erika hat einen Penis?! Ich frage mich bis heute, wie diese Vorstellung für mich total normal war.»
Es ist etwa ein Monat vergangen, seitdem ich dich das letzte Mal gesehen habe. Du hast meistens ein Lächeln auf dem Gesicht, doch heute strahlst du noch ein bisschen mehr.
«Vor zwei Wochen habe ich meinen Eltern meine Beziehungsperson vorgestellt.»
«Oh und wie lief es?»
«Sie sind mega Fan von ihr. Am Anfang war es ein bisschen verhalten, doch gegen Ende total schön. Sie hat mitgeholfen, den Tisch abzuräumen, hat mit meiner Nichte gespielt, hat sich bestens mit allen meinen Geschwistern verstanden. Meine Mutter war meega beeindruckt, dass meine Beziehungsperson sogar ein paar Wörter in der Sprache meiner Eltern beherrscht. Kannst du noch? Ich wusste selber nicht mal, dass sie diesen Ausdruck kennt!»
«Und jetzt? Wie fühlt es sich an?»
«Ich weiss es nicht. Ich bin einfach froh, dass es gut lief.»
«Ich verspüre in solchen Momentan oft Trauer. Scham und Trauer darüber, was ich alles verpasst habe, was ich alles aushalten musste, weil ich Angst hatte.»
«Ja genau. Aber ich bin mega froh, dass sie mir Zeit gelassen hat. Ich habe mich erst jetzt bereit gefühlt dazu. Und es hat uns nochmals viel näher zusammengebracht.»
Etwa eine Stunde und zweidrei Bier später erzählst du mir die genau gleiche Geschichte, wie der Abend bei deinen Eltern war und wie sie deine Beziehungsperson kennengelernt haben nochmals. Mit jedem kleinen Detail. Mit demselben Strahlen in den Augen. Für einen kurzen Moment überlege ich, dir zu sagen, dass du mir das heute Abend bereits zwanzig Minuten lang erzählt hast. Doch dann höre ich einfach nochmals zwanzig Minuten lang zu, lache an denselben Stellen, sage an denselben Stellen «ah so schön», habe an denselben Stellen Tränen in den Augen. Weil ich es wirklich so schön finde, diesen Abend nochmals mit dir Revue passieren zu lassen. Weil er dir offenbar so viel bedeutet hat.
«Worüber schreibst du deine Rede?»
Darüber, dass es für Personen mit Migrationshintergrund, für People of Color, für Menschen mit Diskriminierungserfahrungen noch immer schwieriger ist, sich zu outen. Dass vielen dafür das Bewusstsein fehlt. Und dass es nicht einmal zwingend kulturell bedingt ist, sondern die Eltern so damit beschäfigt sind, sich anzupassen, nicht aus dem Raster zu fallen, dass sie uns dieses Anderssein nicht zugestehen wollen…oder können.»
«Voll gut, ist echt so. Meine Eltern würden mich umbringen, wenn sie wüssten, dass ich mit einer Frau zusammen bin.»
«Meinst du?»
«Ja aber ganz bestimmt. Meine Mutter würde anfangen zu heulen und sich fragen, was sie falsch gemacht hat. Mein Dad idk, der würde wohl einfach den Raum verlassen und enttäuscht sein.»
Wir sitzen vor dem Hive und essen einen Geroldsburger. Du erzählst mir, wie du dich bei deinen Eltern geoutet hast. Ich weiss gar nicht mehr, was du genau gesagt hast. Nur dass dir dabei andauernd ein Pommes zu Boden gefallen ist, deine Finger fettig und dein Mund mit Soße verschmiert waren. Dass deine Augen dabei geleuchtet haben und wir beide gelacht haben. Und dass ich so glücklich war zu sehen, dass es in deiner Generation auch für Personen mit migrantischen Eltern ein bisschen einfacher geworden zu sein scheint.
Es ist Pride. Wir stehen auf dem Kasernenareal und liegen uns alle in den Armen, während ein kitschiger Popsong vorne auf der Bühne abgespielt wird. Wir sind vielleicht 10 Personen, darunter die Mutter und der Vater von zwei Geschwistern aus unserer Gruppe.
«Mich häts gnoh», sagst du mit Tränen in den Augen. Ich heule ebenfalls unter meiner Sonnenbrille, doch kann nichts sagen. Am nächsten Tag schreibst du mir eine Nachricht.
«Ich weiss nicht, ob du auch heulen musstest, aber dieser Moment war einfach so schön. Weisst du, meine Eltern sind nicht so. Manchmal wünschte ich mir, dass sie auch so offen wären. Und dann denke ich mir, vielleicht sind die Eltern von ihnen an solchen Tagen einfach die Eltern von uns allen.»
Rede von Nina und Suna/ Netzwerk Avanti
Liebe Queers! Liebe behinderte und chronisch kranke Queers, liebe spoonies, liebe crips, liebe gehörlose Queers liebe neurodivergente Queers, liebe Queers mit psychischen Behinderungen, liebe alljenige von euch die Ableismus erfahren und trotzdem unsicher sind ob sie sich zur Community zählen können,
Wir sind Nina und Suna, vom netzwerk avanti - feministisch. behindert. chronisch krank. Ehemalig avanti donne. Der Verein setzt sich seit 20 Jahren für die Gleichstellung ein und ist immer von FLINTA mit Behinderungen geleitet geworden. Unsere Geschäftsleitung und unser Präsidium wurde immer wieder von Menschen geführt, die queer und behindert waren - so wie wir beide!
Seit Jahrzehnten kämpfen wir queere Crips dafür, dass wir selbst über unsere eigenen Körper bestimmen können. Wir wollen bei medizinschen Untersuchungen um Konsent gefragt werden. Wir wollen selbst über medizinische Eingriffe an uns bestimmen, wie über unsere Körper geredet wird, welche Geschlechtsorgane wir haben oder ob wir Kinder wollen. Noch ist es aber Realität, dass wir oft gar keine gynäkologische Beratung finden, die barrierefrei ist und wo uns nicht mit Ableismus begegnet wird. Noch wird uns immer wieder das Recht auf selbstbestimmte Sexualität und selbstbestimmte Elternschaft oder Nicht-Elternschaft abgepsrochen. Noch sind Zwangssterilisationen an Menschen mit kognitiven Behinderungen und Zwangsoperationen an Intergeschlechtlichen Menschen in der Schweiz Realität. Noch ist Eugenik und Queerfeindlichkeit Realität.
Und das ist insbesondere auch mit der Macht der bürgerlichen Politik zu begründen. In der Schweiz insgesamt aber auch in der Stadt Zürich gibt es immer wieder laute beleidigende Worte, physische Übergriffe und diskriminierende Politik queeren Menschen mit Behinderungen gegenüber. So fordert die SVP z.B. das Gendersternchen abzuschaffen, mit der Begründung, dass es für Menschen mit geistigen Behinderungen nicht inklusiv sei. Ohne in diese Diskussion tatsächlich behinderte Menschen einzubeziehen, erst recht nicht kognitiv behinderte Menschen die trans oder nonbinär sind. Das ist ein Beispiel dafür, wie es die Bürgerlichen sich skrupellos erlauben die Identität "Behinderung" für ihre Ideologie und Kampagne zu instrumentalisieren, wenn es gerade so passt - nur um uns danach wieder zur Zielscheibe zu machen wenn es darum geht, Sozialleistungen abzubauen. Unsere Antwort darauf ist ein lautes Lachen - In der Stadt Zürich werdet ihr nie eine Mehrheit für diese Politik finden! Hättet ihr wohl gerne!
Die bürgerliche Politik setzt auch in anderen behinderten und queeren Themen immer wieder gerne Diskriminierende und Exkludierende Narrative. Doch wir lassen uns davon nicht bremsen. Den wir sind viele queere crips. Und wir schaffen weiter unsere eigenen Narrative, unsere eigenen Räume, unsere eigenen Utopien und im Endeffekt unsere eigene Politik. Wir werden stärker und immer mehr, solange bis auch eine Mehrheit der Gesellschaft die Crip-Kultur einfach zu toll findet - because we fucking are!
Wir wollen für queere crips mehr Möglichkeiten des Zusammenlebens erschaffen. Die Ehe für Alle ist für viele behinderte Menschen zwar eine theoretische Öffnung aber in der Praxis leben viele in betreuten Institutionen und haben keine Perspektive auf Privatsphäre, einen selbstbestimmten Tagesablauf, mit der Partner*in zusammenzuziehen und zu heiraten. Für viele hiess es seit Kindheit "Du wirst nie heiraten" oder "du wirst keine Liebesbeziehung führen" oder gänzliches Schweigen darüber ob they überhaupt soetwas wie Attraktivität ausstrahlt. Als nicht-sexuelles oder nicht-romantisches Wesen gelesen zu werden zu werden ist für viele die Realität, sehr lange, zu lange. Wir lernen in unserer Gesellschaft, dass behinderte Menschen nicht anziehend sind. Bullshit!! Lernen wir um!! Behinderte Menschen sind sexy, anziehend, heiss! Wir feiern krumme, schräge, vernarbte, lahme, rollende, kaputte, schmerzende Körper, und lieben schräge, zu laute, zu leise, traurige oder verwirrte Gemüter. Und wir wollen mehr davon. Schafft Zugänge für behinderte und chronisch kranke Menschen in queeren Spaces, baut Barrieren ab, hinterfragt euren Ableismus.
Mehr von Crip Spacetime in unserem Communities. Denn wir nehmen Raum und Zeit anderst wahr als nicht-behinderte Menschen. Was von aussen vielleicht aussieht wie eine reine gesellschaftlichen Einschränkung ist für uns selbst immer wieder auch mit einer eigenen Schönheit verbunden. wir geniessen Langsamkeit, und widersetzen uns dem Tempo, das der Kapitalismus vorgibt. Unsere reine Existenz in unseren Körpern und Gemütern ein Akt des Widerstandes gegen die Leistungssgesllschaft. Vielleicht weil wir müssen, nehmen wir uns Zeit. Viel viel viel Zeit. Viel zu Viel Zeit wenns nach dem Kapitalismus gehen würde. Wir nehmen uns Platz, schaffen füreinander Platz, warten aufeinander. Wir schaffen Räume mit Liegemöglichkeiten, Stimmtoys, Weichheit, Wärme und vielen anderen Dingen, die Access bedeuten können.
Was wir uns wünschen, ist eine inklusivere Community. Eine, in der Masken, Rampen, Live-Stream oder Gebärdensprachverdolmetschung nicht als Extraarbeit angesehen werden, sondern als Selbstverständlichkeit. Keine Pride für einige, sondern Rechte, Sicherheit und euphorische Erlebnisse für alle. Leider ist es so, dass ganz viele Menschen mit Behinderungen in einer Art Parallelgesellschaft leben, die durch Marktlogiken ständig reproduziert wird. Menschen mit Behinderungen werden leider auch in der Schweiz teilweise ausgebeutet. Es ist ein Privileg einer Arbeit nachzugehen, die angemessen bezahlt ist. Es ist ein Privileg, selber einen Ausbildungsweg auszusuchen und diesem nachgehen zu können. Es ist ein Privileg für eine Weile im Ausland leben zu können, den als IV-Bezüger*in ist das nicht erlaubt.
Wir wünschen uns eine Community und Kultur die sich darum bemüht, behinderte Menschen als wertvollen Teil der Gesellschaft zu behandeln. In der es selbstverständlich ist, mit Menschen, die aktivistisch vom Bett aus arbeiten, Banden zu bilden. In der klar ist, dass Zugänge nicht nur die Verantwortung derjenigen sind, die noch keine haben. In der mit chronisch kranken und behinderten Menschen gewählte Familien gegründet werden. In der intersektionale, crip-queere Wohnprojekte, Arbeitsprojekte oder Kunstprojekte gestartet werden.
Seid in Community mit uns. Heute Abend findet in der roten Fabrik eine Performance von Lila und Tallboy statt. Lila ist eine Queer Crip Artist aus Zürich! Wir freuen uns!
Und gerne wollen wir auch noch auf die Inklusionsinitative hinweisen. Diese soll die tatsächliche rechtliche Gleichstellung und Umsetzung der Recht von behinderten Menschen sicherstellen. Bitte unterschreibt und sammelt Unterschriften. Wir sind auf eure Mithilfe angewiesen <3
Und zuletzt unterzeichnet auch unsere Petition "Stopp Zwangssterilisation"einfach weil es fatal ist, dass in der Schweiz es gesetzlich erlaubt ist Menschen zu einer Sterilisation zuzwingen.
Wir sind viele! Nichts über uns ohne uns! Queer, Crip und stolz darauf!
Rede von Anna Rosenwasser
Liebe Mitmenschen,
normalerweise rede ich gerne über queere Freude. Ich bin überzeugt davon, dass queere Freude eine wichtige Form von Widerstand ist. Heute aber bin ich hier wegen unserer queeren Wut. Ich bin wütend darüber, dass unsere Community einen happigen Backlash erfahren muss, bevor sie überhaupt je in Würde leben konnte. Einer der Gründe, warum Leute gerne behaupten, wir Queers hätten ja schon alles, sind zwei queere Abstimmungen. In den letzten fünf Jahren haben Stimmberechtigte in diesem Land über zwei queere Themen abgestimmt: Darüber, ob schwule, lesbische und bisexuelle Menschen vor öffentlichem Hass rechtlich geschützt werden. Und darüber, ob gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen. Wir haben beide Abstimmungen gewonnen. Beides ist wichtig. Gleichzeitig ist es wichtig, die möglichen Gründe dafür anzusehen. Das Diskriminierungsgesetz hätte ursprünglich auch trans Menschen beinhaltet, und bevor wir darüber abstimmen konnten, wurde dieser dringend nötige Aspekt rausgeschmissen. Damit die Abstimmung mehrheitsfähig ist. Ich wiederhole: Trans Menschen wurden aus dem Diskriminierungsschutz rausgeworfen, damit die Abstimmung mehrheitsfähig ist. Die zweite Abstimmung war die Ehe für alle. Love is love. Wir haben abgestimmt über eine patriarchale, traditionelle Erfindung: darüber, dass zwei Menschen ihre romantische Zweierbeziehung vom Staat besiegeln lassen. Politisch ist dieses Ja wichtig, aber gesellschaftlich ist diese Bitte sehr, sehr zahm. Bittibätti lasst uns Homos heiraten, wir sind wie ihr cis Heteros, nur halt homosexuell, tschuldigung, aber love is love.
Es ist kein Zufall, dass von beiden Abstimmungen mehrheitlich cis Queers profitieren. Es ist nämlich verlockend, schrittweise Rechte zu fordern für diejenigen, die schon fast als toleriert gelten. Ich sehe, dass das politisch aufgeht. Und es macht mich wütend. Es macht mich wütend, dass unser Bundesrat einen dritten Geschlechtseintrag ablehnt, kurz nachdem ein SVP-Bundesrat sich ohne Konsequenzen transfeindlich äussern darf, und die Demos dazu kaum mediale Aufmerksamkeit erhalten. Es macht mich wütend, dass trans Rechte nicht wichtig genug sind, um politisch beachtet zu werden, aber faszinierend genug, um medial ausgeschlachtet zu werden. Es macht mich wütend, dass transfeindliche Politiker, transfeindliche Pseudo-Feministinnen und transfeindliche Berichterstattung Platz kriegen, während trans Menschen keinen Platz kriegen in Kliniken, in Krankenkassen, in Schulbüchern.
Wenn ich alleine wütend bin, fühle ich mich ohnmächtig. Aber wenn wir unsere queere Wut kollektivieren, können wir handeln. Ich habe zwei Ideen zum Handeln. Liebe queere Mitmenschen, die wie ich cis sind: Lasst uns wüten, lasst uns diskutieren, lasst uns Widerstand leisten. Und zwar nicht nur auf Wahlzetteln und in Parlamenten, denn das wird nicht reichen. Wir müssen unser cis Privileg in Energie umwandeln. Ins gemeinsame Hässigsein und Geduldigsein mit nicht-queeren Mitmenschen. Und lasst uns unsere trans Geschwister doppelt so fest lieben, wie wir uns Sorgen machen. Meine zweite Idee zum Handeln richtet sich an alle trans Menschen: haltet durch. Wir geben unser Bestes, damit ihr nicht alleine seid. Haltet durch.
Uns alle, und queeren Menschen, gibt es für immer.
Das können sie uns nicht wegnehmen. Sie werden es noch eine ganze Weile versuchen.
Und sie werden es nicht schaffen.
Uns gibt es für immer.
Unsere queere Wut auch.
Und unsere queere Freude auch.
Awareness; Was ist das?
to be aware = sich bewusst sein, sich informieren, für gewisse Problematiken sensibilisiert sein
Awareness und Privilegien
Oft merken wir es gar nicht, wenn wir andere unfair oder unreflektiert behandeln. Das liegt meist daran, dass wir uns der eigenen sogenannten Privilegien – Hautfarbe, Begehren, geschlechtliche Identität, Alter, Fehlen von Krankheit & Behinderung, Geld usw. – nicht bewusst sind. Und uns deshalb der gegebenenfalls anderen (gesellschaftlichen) Position unseres Gegenübers ebenfalls nicht bewusst sind. Dadurch kommt es vor, dass Personen unsensibel auftreten und handeln. Bitte seid euch also im Umgang miteinander eurer Privilegien bewusst.
Awareness und Konsens
Konsens bedeutet, dass Handlungen und Gespräche nur im gegenseitigen Einverständnis stattfinden. Es gilt: nur ein JA ist ein JA!
Es ist uns wichtig, dass nicht von der Erscheinung einer Person auf deren Pronomen und/oder Geschlechtsidentität geschlossen wird. Frag einfach nach, wie der jeweilige Mensch angesprochen werden möchte.
Was tun, wenn etwas passiert?
Grenzüberschreitungen werden individuell von den Betroffenen definiert. Manche Vorfälle führen dazu, dass sich Menschen angegriffen, missachtet, diskriminiert, verletzt, herabgewürdigt oder überfordert fühlen.
Falls ihr von grenzüberschreitendem Verhalten betroffen seid (oder dieses beobachtet), dann meldet euch bitte beim CSD-Awareness Team (in orangen Westen) oder unter der Awarenessnummer (076 823 66 48).
Awareness und Alkohol bzw. Drogen
Neben dem achtsamen Umgang mit anderen Menschen beinhaltet das Awarenesskonzept für uns auch den achtsamen Umgang mit sich selbst. Das heisst: Achte auf deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen. Kenne und kommuniziere diese. Dazu gehört auch ein verantwortungsvoller Umgang mit Rauschmitteln inkl. Alkohol.
Achte auf dich selbst und andere. Falls jemensch Hilfe benötigt, dann helfe oder hole Hilfe.
Grundsätzlich gilt: Der Konsum von enthemmenden Substanzen ist keine Entschuldigung für übergriffiges oder grenzüberschreitendes Verhalten.
Awareness und Müll
Bitte entsorge deinen Müll in die dafür vorgesehenen Behälter.
Wir dulden kein übergriffiges oder gewalttätiges Verhalten, Queer- und Trans*feindlichkeit, Fettfeindlichkeit, Sexismus, Rassismus, Faschismus und Ableismus auf unserer Veranstaltung.
Wir als Veranstalter*innen versuchen den CSD für alle so angenehm wie möglich zu gestalten. Dabei müssen aber alle mitarbeiten, also auch die Gäst*innen. Achtet aufeinander und geht respektvoll miteinander um. Achtet auf eure Grenzen und die Grenzen anderer.
Whatever you wear, wherever you go...
YES means YES and NO means NO!
Die Route:
Die Route ist fast gänzlich flach, ausser dem anfänglichen Gang durch den Tunnel beim Bahnhof. Die ganze Route ist auf geteertem Boden. Nur beim hinteren Teil des Landesmuseums ist Kiesboden.
Ruhezonen/Safer Space während der Demo:
Es ist uns leider nicht möglich, einen eigenen Raum oder eine Zone zur Verfügung zu stellen, wo wir Ruhe garantieren können.
Du darfst dich an das Awareness-Team (orange Westen) wenden, damit sie mit dir einen ruhigen Ort suchen und dich dorthin begleiten. Das Awareness-Team erreichst du unter 076 823 66 48 per Anruf oder SMS. Das Awareness-Team hat ebenfalls Oropax dabei, welche Gratis abgegeben werden.
Für Menschen die nicht live teilnehmen können/möchten:
Es findet durchgehend ein Livestream via Instagram statt. Welcher nur zu diesem Zeitpunkt läuft und anschliessend nicht mehr verfügbar ist. Das haben wir aufgrund der Privatsphäre von Menschen, die teilnehmen entschieden.
Reden werden schriftlich auf der Webseite festgehalten.
Für Hörbehinderte Menschen:
Das Programm beim Landesmuseum vor der Demo und das Programm auf dem Ni-Una-Menos Platz (Helvetiaplatz) nach der Demo wird auf Deutschschweizer Gebärdensprache übersetzt.
Bei weiteren Fragen bzgl. Zugänglichkeit melde dich unter csd-zurich@protonmail.com
Wenn du uns finanziell unterstützen möchtest, wir haben ein Bankkonto.
PS: Die "Rechnung" ist auf 50 Franken eingestellt, du kannst aber frei wählen wieviel du uns spenden möchtest.
Hast du Lust als Organisator*in oder Helfer*in mit uns den nächsten antikapitalistischen CSD zu gestalten? Dann komm zu einem unserer nächsten Treffen! :)
Falls du helfen möchtest bei der Demo oder der Party, kannst du uns auf insta oder per Mail auf csd-zurich@protonmail.com kontaktieren.
Vor ungefähr 5 Monaten gab die Zurich Pride ihren Vorschlag für das Motto der diesjährigen Pride heraus. Viele Menschen in der LGBTQIA+ Community waren seit längerem gespannt auf diesen Moment, da die Zurich Pride im Oktober 2021 verkündet hatte, dass die Pride 2022 zum Thema trans stattfinden würde....
Dies war ein signifikanter Moment, da das Verhältnis der Zurich Pride zu diesem Thema schon immer sehr schwierig war. Seit der ersten Pride in Zürich im Jahr 1994, wurden trans Menschen, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt oder «mitgedacht». Dass der grösste und einflussreichste queere Verein einen so grossen und historisch wichtigen Teil der LGBTQIA+ Community fast 30 Jahre lang im Wesentlichen unsichtbar gemacht hat, ist erschreckend und nicht akzeptabel. Auch neben dieser grossflächigen Vernachlässigung des Thema trans, tat sich die Zurich Pride immer sehr schwer und weigerte sich teilweise auch schlichtweg, trans inklusiver zu agieren. Zum Beispiel hat sie sich wiederholt geweigert, genderneutrale Toiletten am Festival einzuführen oder wurden auf ihrer Webseite erst vor wenigen Monaten die Pronomen der Vorstandsmitglieder hinzugefügt.
Insgesamt hat die Zurich Pride wiederholt gezeigt, dass die Inklusion und das Herausheben marginalisierterer Teile der queeren Community (TINAQ Menschen, AroAce Menschen, BIPoC, Migrant*innen) nicht ihre Priorität ist. Die Zurich Pride ist hauptsächlich von weissen cis Queers für weisse cis Queers, deren Forderungen nach Queer Liberation im Wesentlichen nicht über die Ehe für Alle hinausgehen.
So hat es eigentlich nicht erstaunt, dass das der erste Vorschlag für das Motto der Pride 2022 in dieser Hinsicht erneut enttäuschte. Dieser lautete nämlich «trans*normal - Mensch bleibt Mensch». Dieser Vorschlag stiess bei vielen Menschen aus der trans Community und aus linken queeren Kreisen auf starke Kritik, da sich die Assimilationspolitik, die dieses Motto äussert, nicht mit linken Ideen von Queer Liberation vereinbaren lässt. Die Grundaussage des Mottos, dass trans Menschen einfach normale Menschen sind und somit in die bürgerliche Gesellschaft hineinpassen wollen, ist problematisch, da das Erwähnen einer Normalität auch immer eine Abnormalität impliziert und die Normalität der bürgerlichen Gesellschaft schliesslich cis-heteronormativ ist. Das Motto sagt also eigentlich aus, dass die trans Menschen, die in die bürgerliche Definition von «normal» hineinpassen, in der Gesellschaft akzeptiert werden sollen und die restlichen nicht. Dies stimmt natürlich nicht; trans Menschen und generell queere Menschen müssen sich nicht der bürgerlichen Normalität angleichen. Ganz im Gegenteil müssen wir die wundervolle Diversität der queeren Community hervorheben und wertschätzen und soziale und gesellschaftliche Normen sprengen. Das Sprengen dieser Normen war schon immer ein essenzieller Teil des Kampfes für Queer Liberation.
Nach heftiger, aber berechtigter Kritik von trans Menschen und linken Queers, hat sich die Zurich Pride erstaunlicherweise dazu entschieden, das Motto zu «trans-Vielfalt leben» zu ändern. Dieses Motto ist schon viel besser und impliziert viel mehr eine Zelebration der Vielfalt von trans Menschen als die bürgerliche Assimilationspolitik, die das erste Motto ausdrückte. Trotzdem zeigt der erste Vorschlag sehr gut, welche Politik die Zurich Pride verfolgt.
Die aufgezählten Probleme sind eigentlich nur Symptome der generellen Interessen der Zurich Pride. Die Zurich Pride ist ein Partyverein und hat den eigentlichen Zweck einer Pride vergessen. Um ihre extravaganten Partys zu finanzieren, muss die Zurich Pride mit grossen Sponsor*innen (UBS, CS, Gilead etc.) zusammenarbeiten. Sie kann es sich, aus Angst diese zu verlieren, also nicht erlauben progressivere/radikalere Forderungen zu stellen. Denn grosse Banken und Konzerne interessieren sich nur so weit für queere Menschen, wie es ihnen mehr Profit generieren kann. In Praxis bedeutet dies, dass sie im Juni, dem Pride Monat, zwar die Pride Fahne in ihr Logo auf Social Media einarbeiten oder aus kommerziellen Gründen an Pride Umzügen mitlaufen, dann aber gleichzeitig mit Regierungen zusammenarbeiten, die queere Menschen unterdrücken oder gar zum Tode verurteilen und queerfeindliche Rechtspopulist*innen in Europa und Amerika mitfinanzieren.
Auch laufen an der Zurich Pride jährlich Vertreter*innen der Polizei und des Militärs mit. Also genau die repressiven Arme des staatlichen Gewaltmonopols, die historisch Aufstände zur Forderung nach Grundrechten für queere Menschen konsequent gewalttätig niedergeschlagen haben und auch heute immer noch die Queerphobie des neoliberalen Systems reproduzieren. Dies äussert sich oft in Gewalt gegenüber queeren Menschen, die wirkliche Queer Liberation fordern und für ihre Rechte einstehen.
Die Zurich Pride hat also seit Jahren Probleme mit der Inklusion von TINAQ Menschen und anderen Teile der LGBTQIA+ Community, die nicht ihrem cis-weissen Standard entsprechen und hat sich wiederholt geweigert, sich spezifisch für die Rechte jener Gruppen einzusetzen. Weiterhin arbeitet sie mit Gruppen zusammen, deren Aktionen aktiv gegen die Liberation von queeren Menschen stehen, wie Banken, Konzerne, Polizei und Militär.
Aus diesen Gründen haben sich verschiedene queere Aktivist*innen aus der linken Szene zusammengeschlossen, um endlich eine Alternative zur Zurich Pride zu schaffen. So ist das Kollektiv CSD Zürich entstanden. Für dieses Jahr plant das Kollektiv eine Demonstration am 25. Juni als linke, intersektionale und antikapitalistische Alternative zum Pride Umzug am 18. Juni. An dieser Demonstration wollen wir uns für einen intersektionalen Kampf, für die Rechte queerer Menschen und für einen Systemwandel einsetzen. Wir stellen uns also gegen den Rainbow Capitalism der Banken und Konzerne, gegen das Pinkwashing der repressiven Organe des Staats und gegen die exklusive und kapitalistische Assimilationspolitik der Zurich Pride. Wir kämpfen also für die komplette Liberation aller queeren Menschen.
Wie mensch schon am Namen des Bündnisses und der daraus entstandenen Demo herauslesen kann, wollen wir uns spezifisch an die erste Pride und generell an die Geschichte des queeren Kampfes erinnern. Der Christopher Street Day (28.06.), kurz CSD, ist ein Tag, an dem sich die LGBTQIA+ Community an die erste Pride, die am 28. Juni 1969 im Stonewall Inn an der Christopher Street in New York stattfand zurückerinnert. Diese erste Pride war ein von Schwarzen trans Frauen angeführter Aufstand gegen das oppressive System und wurde von der Polizei mit massiver queerphober Gewalt niedergeschlagen. Queere Aufstände wie dieser waren schlaggebend für den Beginn der Akzeptanz queerer Menschen in unserer Gesellschaft. Hier sehen wir, dass positive Veränderungen für die LGBTQIA+ Community nicht aus bürgerlicher Assimilationspolitik entstehen, sondern aus gewaltvollen Aufständen radikal-queerer Aktivist*innen gegen das unterdrückende System. Auch sehen wir, dass die Polizei nicht der Freund queerer Menschen, sondern das repressive Organ eines queerphoben Systems ist, das historisch immer im Weg von Kämpfen für die Rechte der LGBTQIA+ Community stand. Also sagen wir laut: «You only gave us rights, because we gave you riots!» und «no cops at pride!».
Wir wollen uns an den Forderungen und der Form der ersten Pride orientieren und uns mit unserer Demonstration dem radikalen und intersektionalen Kampf gegen das queerphobe, sexistische, rassistische und kapitalistische System anschliessen.
Wir nehmen uns am 25. Juni hässig, kämpferisch und cute die Strassen und demonstrieren gegen das cis-heteropatriarchale neoliberale System und die bürgerliche Assimilationspolitik der Zurich Pride und sagen laut: «Queer Liberation – Not Assimilation!»
Wir sind auf Instagram @csd_zureich oder per E-Mail über csd-zurich@protonmail.com erreichbar.